Die ersten Prüfungen als neuer Muslim

charakter 29.12.2022
stressedman

Die Anfangszeit im Islam ist für die meisten neuen Muslime eine Zeit des starken Glaubens und der Freude. Der Gedanke, dass alle vergangenen Sünden durch den Übertritt vergeben wurden, beflügelt und motiviert einen, mehr für den neuen Glauben zu tun. Doch der Weg eines Menschen ist mit dem Aussprechen des Glaubensbekenntnisses noch nicht zu Ende. Man verändert sich und dadurch verändern sich oft auch die Lebensumstände. Diese Veränderungen bringen für viele auch große Herausforderungen mit sich. Die meisten werden schon zu Beginn ihres Lebens als Muslim mit Problemen und Erschwernissen geprüft. Dies mag ungerecht erscheinen, da sie nun dem richtigen Weg folgen, aber dennoch mit Problemen zu kämpfen haben. Der vorliegende Artikel liefert eine Erklärung dafür, woher diese Prüfungen kommen und was sie zu bedeuten haben. Außerdem beschreibt er, wie der neue Muslim auf solche Erschwernisse reagieren sollte.

Anfängliche Prüfungen

Direkt nach dem Übertritt zum Islam müssen viele Menschen besonders viel Geduld zeigen, da in dieser Zeit zahlreiche neue Probleme auf sie zukommen. Diese können sich, je nach den persönlichen Umständen, von Person zu Person stark unterscheiden. So hat ein junger Muslim, der noch mit seinen Eltern lebt, möglicherweise mit seiner Familie Probleme, da sie seinen Übertritt nicht akzeptieren. Eine andere Person hat vielleicht eine Familie, die voll hinter seiner Entscheidung steht. Dafür kann es aber sein, dass sie ihren alten Freundeskreis durch den Islam verliert und Schwierigkeiten hat, Anschluss an lokale Muslime zu finden.  Manch einer bekommt im Arbeitsleben Probleme, etwa dann, wenn er zuvor einen Beruf ausübte, der mit dem Islam nicht vereinbar ist. Und es gibt Menschen, die zuvor Gewohnheiten hatten, die im Islam nicht erlaubt sind, wie beispielsweise das Alkoholtrinken. Ihnen kann es unter Umständen sehr schwer fallen, von diesen Gewohnheiten abzulassen.

Dies sind die Art von Schwierigkeiten, die beginnen, wenn ein Mensch anfängt, den Islam zu praktizieren. Obwohl er nun betet, sich von Verbotenem fernhält und vermehrt gute Taten begeht, bessert sich seine Situation nicht. Es kann sogar vorkommen, dass sie durch das Praktizieren schwieriger wird. Doch dies ist keineswegs ein Zeichen dafür, dass der Muslim einen Fehler begeht und Allah ihn dafür bestraft. Prüfungen und Erschwernisse treffen einen Menschen nicht, weil sie den Zorn Allahs auf sich gezogen haben oder Er mit ihnen unzufrieden ist. Vielmehr sind sie ein normaler Bestandteil des Lebens und können sogar ein Zeichen für Allahs Zufriedenheit mit Seinem Diener sein.

Prüfungen als Teil des Lebens

Das Leben auf dieser Erde wird zweifelsohne vorbeigehen. So sagt Allah, der Erhabene:

Alle, die auf ihr (der Erde) sind, werden vergehen; bleiben wird (nur) das Angesicht deines Herrn, Besitzer der Erhabenheit und Ehre.“ [Koran 55: 26-27]

Damit wird deutlich, dass die gesamte Welt, wie sie heute ist, nicht für immer bestehen wird. Dass auch die Menschen alle eines Tages sterben, ist ein Fakt, den niemand abstreiten kann. Der Islam lehrt jedoch auch, dass das wahre und ewige Leben erst nach dem Tod beginnt. Am Jüngsten Tag, der das Ende dieser Welt darstellt, werden die Menschen von Allah auferweckt. Dazu sagt Er selbst im Koran:

Dies, weil Allah die Wahrheit ist und weil Er die Toten wieder lebendig macht und weil Er zu allem die Macht hat und weil die Stunde kommt, an der es keinen Zweifel gibt, und weil Allah (all) diejenigen auferwecken wird, die in den Gräbern sind.“ [Koran 22: 6-7].

Nach diesem Ereignis werden die Menschen für die Taten, die sie im Diesseits begingen, zur Rechenschaft gezogen:

An jenem Tag werden die Menschen (in Gruppen) getrennt herauskommen, damit ihnen ihre Werke gezeigt werden. Wer nun im Gewicht eines Stäubchens Gutes tut, wird es sehen. Und wer im Gewicht eines Stäubchens Böses tut, wird es sehen.“ [Koran 99: 6-8].

Danach beginnt ein ewiges Leben im Jenseits, wohingegen das diesseitige Leben wie ein kurzer Augenblick erscheint. Es ist aber als Zeit der Prüfungen entscheidend dafür, ob ein Mensch die Ewigkeit im Paradies oder im Höllenfeuer verbringen wird. Allah testet die Menschen in diesem Leben mit Gutem und mit Schlechtem, damit sich anhand ihrer Reaktion ihr Grad an Rechtschaffenheit zeigt. So sagt Er über sich selbst:

„(Er), Der den Tod und das Leben erschaffen hat, damit Er euch prüfe, wer von euch die besten Taten begeht. Und Er ist der Allmächtige und Allvergebende.“ [Koran 67:2]

Zeigt ein Mensch in einer schweren Situation dennoch Dankbarkeit für Allahs Gnaden und begeht weiterhin gute Taten, so spricht das für ihn. Dasselbe gilt für einen, der in Zeiten des Wohllebens nicht die Religion oder seine weniger wohlhabenden Mitmenschen vernachlässigt. Sowohl Gutes als auch Schlechtes kann also eine Prüfung darstellen.

Die Art, wie ein Mensch geprüft wird, sagt nichts darüber aus, wie zufrieden Allah mit ihm ist. Weder ist eine Erschwernis als eine Strafe, noch gute Umstände als Belohnung Allahs anzusehen. Aus diesem Grund gibt es auf der Welt auch eine Vielzahl an schlechten Menschen, die viele weltliche Genüsse wie Reichtum oder Bekanntheit erlangen. Dagegen sind viele gläubige Menschen Problemen und Erschwernissen ausgesetzt. Auch, wenn man ein frommes Leben führt, ist dies keine Garantie dafür, von Prüfungen verschont zu bleiben. Der Islam gibt dem Menschen die Glückseligkeit im Jenseits, im Diesseits wird jedoch jeder geprüft, wie Allah sagt:  

Meinen die Menschen, dass sie in Ruhe gelassen werden, (nur) weil sie sagen: „Wir glauben“, ohne dass sie geprüft werden? Wir haben bereits diejenigen vor ihnen geprüft […]“ [Koran 29: 2-3].

Es kann sogar ein gutes Zeichen sein, wenn man überdurchschnittlich oft von Erschwernissen getroffen wird. Der letzte Gesandte Allahs, Muhammad, Friede sei mit ihm, wurde von Allah wie kein anderer geliebt. Dennoch war sein Leben voller Erschwernisse und Prüfungen: So verlor er schon in jungem Alter seine Eltern und Pflegeeltern. Er wurde von seinem Volk unterdrückt, als er anfing, zum Islam aufzurufen, und erlitt viele Jahre des Kummers. Viele seiner Kinder und auch seine erste Frau starben, während der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, noch am Leben war. Doch dies war nicht, weil Allah zornig auf ihn war oder ihn verlassen hatte. Die Gefährten des Propheten (Sahaba, Singular: Sahabi) fragten ihn, wer von den Menschen am meisten geprüft würde. Darauf antwortete der Prophet, Friede sei mit ihm: „Die schwersten Prüfungen haben die Propheten, danach die rechtschaffenen Diener und danach die ihnen ähnlichen Menschen. Jeder Mensch wird gemäß der Stärke seiner Religion geprüft. Wenn seine Religion stark ist, dann wird er noch mehr geprüft. Aber wenn seine Religion schwach ist, dann wird seine Prüfung entsprechend seiner Stärke sein. Der Diener wird so lang geprüft, bis er sündenfrei auf der Erde läuft.“ [Tirmidhi].

Der richtige Umgang mit Prüfungen

Schwere Prüfungen sind also auch ein Anzeichen dafür, dass man stark in der Religion ist. Wie in der obigen Überlieferung (Hadith) erwähnt, löschen Erschwernisse auch die Sünden der Muslime. Dies kann auch anhand der folgenden Aussage des Propheten gesehen werden: „Nichts bedrängt einen Muslim, und er erleidet weder Krankheit noch Angst, noch Kummer oder Schaden, nicht einmal der Stich eines Dorns, ohne dass Allah ihm dafür seine Sünden sühnen wird.“ [Bukhari, Muslim].

Sieht man die Prüfungen also nicht nur als einen natürlichen Teil des Lebens, sondern sogar als Möglichkeit, seine Sünden zu löschen und das Paradies zu betreten, so steht man ihnen anders gegenüber. Durch die richtige Einstellung kann man mehr Geduld zeigen, was wiederum zu Erleichterung der Situation führen mag. So sagt Allah im Koran:

Und Wir werden euch ganz gewiss mit ein wenig Furcht und Hunger und Mangel an Besitz, Seelen und Früchten prüfen. Doch verkünde frohe Botschaft den Standhaften, die, wenn sie ein Unglück trifft, sagen: „Wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir zurück.“ Sie sind es, denen Segnungen von ihrem Herrn und Erbarmen zuteilwerden, und sie sind die Rechtgeleiteten.“ [Koran 2: 155-157]

Eine rechtschaffene Person versucht also, aufgrund der Prüfung nicht in Traurigkeit oder Verzweiflung zu verfallen. Vielmehr macht sie sich bewusst, dass dieses Leben vergänglich ist, was die Worte „Wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir zurück“ (Inna lillahi wa inna ilayhi radschiun) ausdrücken. Die Standhaftigkeit bei Prüfungen führt zu mehr Segen im Leben, so dass die Prüfung bald durch eine Erleichterung ausgetauscht werden mag. Hat man jedoch Schwierigkeiten, mit der Art der Prüfung geduldig zu sein, so gilt es, sich ins Gedächtnis zu rufen: Allah, der Allwissende, hat diese Prüfung für einen bestimmt. Er weiß, was gut und was schlecht für die Menschen ist, und Er tut niemandem Unrecht. Er erlegt keiner Seele mehr auf als das, was sie zu leisten vermag [Koran 2:286]. Bestimmt Er also eine Prüfung für jemanden, so ist diese niemals zu schwer, sondern genau auf die betreffende Person abgestimmt. Außerdem kommt mit einer Prüfung immer auch Erleichterung [Koran 94:5], wenn man seiner Aufgabe nachkommt und Allah gegenüber Dankbarkeit und Geduld zeigt.

Der Gedanke an die Belohnung für die Standhaftigkeit und das Vertrauen auf Allah sind also die richtige Reaktion auf eine Prüfung. Der Diener hört nicht auf, gute Taten zu verrichten. Vielmehr können diese sogar dafür sorgen, dass ihm die Schwierigkeiten erleichtert werden. Allah, der Erhabene, sagt im Koran, dass bei einer Prüfung Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet gesucht werden soll [Koran 2:153]. Außer dem Gebet kann auch das Lesen des Korans beruhigen, denn viele der Verse handeln vom Leben im Paradies und geben Hoffnung. Die Erleichterung der Prüfung liegt also im Praktizieren des Islams.

Fazit

Probleme und Erschwernisse sind eine Art, wie die Menschen in diesem Leben geprüft werden. Diese Prüfungen gehören zum Leben dazu und sagen nichts darüber aus, ob Allah mit einem Menschen zufrieden ist oder nicht. Vielmehr werden gottesfürchtige Menschen oft mit den schwersten Prüfungen heimgesucht. Es gilt, die Erschwernisse als einen Weg zu sehen, den eigenen Rang im Paradies zu erhöhen. Beweist man sich auch in schweren Zeiten als ein rechtschaffener, geduldiger und dankbarer Diener, so wird man dafür von Allah spätestens im Jenseits belohnt. Dieser Gedanke und das verstärkte Praktizieren des Glaubens führen dazu, dass die Prüfung leichter wird.

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